Schüler der Förderschule
Förderschule als Sammelbecken der Außenseiter?
Wer eine Förderschule besucht, musste das reguläre deutsche Schulsystem verlassen, weil er denn Anforderungen aus verschiedenen Gründen nicht entsprechen konnte. Die können körperliche und geistige Behinderungen oder Lernbehinderungen sein.
Wobei auch ein anderer Punkt nicht zu vernachlässigen ist: 90 Prozent der Sonderschüler kommen aus Familien, deren soziökonomischer Status unter dem Niveau der Arbeiterschicht liege, wie Hans Wocken in einer Studie aus dem Jahr 2005 herausgefunden hat. Die Leistungsunterschiede, die aus der Herkunft herrühren, zeigen sich bereits in der Grundschule: Sozial benachteiligte Kinder werden häufig zu doppelten sozialen Außenseitern: Aufgrund ihrer Armut und aufgrund ihrer Lernprobleme. Das Risiko, in eine Förderschule zu kommen, ist nach einer Studie der AWO „Armut im frühen Grundschulalter“ (2005) dreieinhalb mal höher als von Kindern, die nicht in Armut leben.
Allen Vorteilen und Ansprüchen zum Trotz führt der Besuch einer Förderschule zu diversen negativen Empfindungen, Gefühlen und Auswirkungen, die durch die Vorteile (Schonraum, gezielte Förderung, adäquate Unterstützung) nicht aufgewogen werden, so sie denn an der jeweiligen Schule anzutreffen sind.
Soziale Armut
Kritiker werfen der Förderschule vor, dass sie dazu beitrage, dass das Bildungssystem ungerecht ist und zu wenig Qualität schaffe. Manche Gegner gehen noch weiter und sehen in der Förderschule eine Schule der Armen, Arbeitslosen und Migranten. Die Armut der Eltern vererbt sich in der Regel auf die Kinder. Sie wachsen in der Perspektivlosigkeit der Eltern auf. Kinderarmut ist auch in Deutschland ein Thema.
Landen solche Kinder auf der Förderschule können sie später nur schwer in die Gesellschaft integriert werden. Doch die Mängel sind nicht den Lehrern anzulasten, denn es sind strukturelle Mängel. Deshalb solle die Förderschule aufgelöst werden und die Schüler auf allgemeine Schulen gehen. Damit das auch funktionieren kann, müssten schon Grundschulen durch Sonderpädagogen verstärkt werden. Zudem sollten Schulen kostenloses Essen anbieten und Talente mehr und besser fördern können.
Eine weitere ‚Klientel‘: Migrantenkinder
Auch Migrantenkinder finden sich häufig in Förderschulen wieder, was vielfältige Gründe haben kann. Allen voran sprachliche Defizite, die in der Regelschule nicht aufgefangen wurden. Allerdings führt der Besuch einer Förderschule zu einer zusätzlichen Ausgrenzung bei diesen Kindern begleitet von größerer Scham als bei deutschen Förderschülern. Vielfach ist es ausländischen Eltern weitaus peinlicher, wenn ihr Kind in ihren Augen versagt und eine Sonderschule besuchen muss.
Dieses Gefühl überträgt sich auf die Kinder, auf ihr Verhalten und ihre Entwicklung. Dabei ist bei Jungen und Mädchen ein unterschiedliches Verhalten zu beobachten: Mädchen richten ihr Schamgefühl gegen sich selbst und tendieren dazu, sich an das negative Fremdbild anzupassen. Jungen verwandeln das Schamgefühl in aggressives Verhalten, schließen sich Cliquen mit negativer Werteorientierung an, verweigern Schulleistungsnormen und entwickeln deviates Verhalten.
Diskriminierung, Stigmatisierung – Scham, Verleugnung
Schüler einer Förderschule sind im Alltagsleben und ihrem Alltagserleben vielfältigen Beschämungen und sozialer Scham ausgesetzt. Sie haben an einer ‚normalen‘ Schule versagt und müssen auf eine niedere Schulform wechseln. Diese institutionelle Beschämung wird durch informelle Beschämungen durch Mitschüler, Gleichaltrige und andere Akteure in ihrem Umfeld ergänzt. All diese Erfahrungen sind eine Bloßstellung und Missachtung ihrer Würde. Die Förderschüler reagieren darauf häufig mit Verschweigen und Verleugnen des eigenen Schülerstatus und verweisen auf ein eher negatives Selbstkonzept.